Er ist deutscher Staatsbürger und Bürgermeister einer Stadt in Rumänien: Dominic Fritz (37), aus Lörrach im Schwarzwald stammend, hält seit September 2020 die Zügel im Rathaus Temeswar. Der gewesene Kabinettchef des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler hat die westrumänische Stadt bereits 2003 in sein Herz geschlossen, als er dort ein freiwilliges soziales Jahr absolvierte. Immer wieder
Er ist deutscher Staatsbürger und Bürgermeister einer Stadt in Rumänien: Dominic Fritz (37), aus Lörrach im Schwarzwald stammend, hält seit September 2020 die Zügel im Rathaus Temeswar. Der gewesene Kabinettchef des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler hat die westrumänische Stadt bereits 2003 in sein Herz geschlossen, als er dort ein freiwilliges soziales Jahr absolvierte. Immer wieder kam er seither nach Temeswar, um kulturelle und soziale Projekte abzuwickeln. Was er sich nun als Bürgeremeister für Temeswar vornimmt, das verrät Dominic Fritz in folgendem Interview.
Eines Ihrer Anliegen als Bürgermeister von Temeswar ist es, die Stadt fahrrad- und fußgängerfreundlich zu gestalten, aber auch, den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt neu aufzustellen. Wie ist es derzeit um diese Vorhaben bestellt? Gibt es schon ein Konzept zur nachhaltigen Mobilität in der Stadt?
Wir sind sehr fleißig dabei, sowohl im öffentlichen Nahverkehr, als auch, was Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur angeht, das Ganze auf neue Füße zu stellen. Wir werden eine Studie in Auftrag geben, die das öffentliche Nahverkehrsnetz neu analysiert, weil dieses noch auf Basis des Netzes der 70-er Jahre funktioniert. Wir wollen massiv in den öffentlichen Nahverkehr investieren. Gleichzeitig arbeiten wir gerade an einem Projekt für die Verbindung von verschiedenen Fahrradwegen in Temeswar und möchten natürlich auch die bestehenden Radwege reparieren lassen. Was die Fußgängerinfrastruktur angeht, arbeiten wir an verschiedenen Stadtteil-Projekten, wo wir in Stadtteilen neue Verbindungen, gerade zwischen den Wohnblocks, herstellen wollen.
Sie haben Ende April, als absolutes Novum für die Mitarbeiter der Temeswarer Kommunalverwaltung, eine Radtour mit Vertretern des Amtes für Umweltschutz und Stadtentwicklung durch die Stadt unternommen, mit dem Ziel, die Probleme vor Ort zu entdecken. Wie haben die Rathausangestellten darauf reagiert, und was ist ihnen aufgefallen?
Also erst einmal war das eine Radtour nicht nur eines einzigen Amtes, sondern eben ganz verschiedener Ämter, des Umweltamtes, des Stadtentwicklungsamtes, der technischen Abteilung, weil wir festgestellt haben, dass ganz viele der Projekte überhaupt nicht gemeinsam geplant werden, sondern jeder für sich seinen Teil plant. Und weil wir festgestellt haben, dass die Beamten kaum ein Gefühl dafür haben, was von ihren Projekten wirklich in der Stadt ankommt. Es wäre also sehr interessant, das auf dem Fahrrad zu erleben, um selber dann auch mal in die Situation zu kommen, wie schwierig es beispielsweise ist, sich mit dem Fahrrad durch die Stadt zu bewegen. Gleichzeitig sind uns dann natürlich auch die gemeinsamen Diskussionen vor Ort wichtig. Wir wollen das alle zwei Wochen wiederholen, in verschiedenen Stadtteilen, auch in verschiedenen Konstellationen, und hoffen so, dass die Beamten einerseits lernen, besser auch gegenseitig die Positionen zu verstehen und mit aufzunehmen und andererseits eben natürlich auch näher an der Realität der Stadt zu sein.
Ihrem Vorgänger wurde oft vorgeworfen, gesunde Bäume in der Stadt fällen zu lassen. Wie „grün“ ist Temeswar derzeit und wie planen Sie, diese Quote zu vergrößern?
Ja, wir haben das Glück, dass wir auf dem Papier jetzt eine sehr hohe Quote haben, weil wir den Stadtwald, den Jagdwald, dazubekommen haben. Dieser war vorher in Regierungshand und ist jetzt auf die Stadt überschrieben worden. Das hilft uns statistisch. Aber das ändert natürlich nichts daran, wie die Situation in der Stadt selber aussieht. Und da wollen wir auf ganz verschiedene Art und Weise gegensteuern. Erstens mit einem Trainingsprogramm für die Firmen, die unsere grünen Flächen pflegen, dass die wissen, wie man Bäume richtig beschneidet, wann man sie fällt. Wir wollen natürlich auch das Grünflächenregister fertigstellen. Außerdem haben wir einen Plan für eine neue Bewaldung am Stadtrand. Wir wollen einen neuen großen Park in Ciarda Rosie gestalten. Wir arbeiten sehr stark daran, eine neue Grünflächenpolitik im Rathaus einziehen zu lassen und werden dafür auch eine neue Stelle des Chefgärtners schaffen.
Sie wurden zur Klimakonferenz in Ulm eingeladen, die am 20. und 21. Mai stattfindet. Verfolgen Sie die Klimapolitik, die in Westeuropa und besonders in Deutschland betrieben wird? Inwiefern lassen Sie Ideen aus Deutschland in Ihre klimapolitischen Entscheidungen vor Ort einfließen?
Ja, ich verfolge die Klimapolitik. Natürlich stelle ich dabei schon fest, dass der Diskurs sich deutlich unterscheidet. Wir haben hier, in der öffentlichen Wahrnehmung, kaum ein Problembewusstsein, was den Klimaschutz angeht. Grundsätzlich ist hier schon eine große Offenheit für Umweltschutz-Themen, aber das bezieht sich vor allen Dingen auf die sichtbaren Dinge, besonders auf Grünflächen, Bäume, auch Mobilität. Das ist ein bisschen schwieriger, wenn es um die „abstrakte“ Klimapolitik geht. Und ich glaube, dass es eben wichtig ist, dass wir es schaffen,den Menschen verständlich zu machen, warum das relevant ist für ihr eigenes Leben und in ihrer eigenen Stadt. Deshalb bin ich auch eher ein bisschen vorsichtig, was jetzt den deutschen Diskurs angeht, denn mir ist wichtig, dass ich die Menschen dort abhole, wo sie sind; dass sie auch selbst das Gefühl haben, das ist jetzt keine neue Verbotskultur und da werden jetzt nicht Konzepte importiert, sondern dass sie wirklich das Gefühl haben, etwa bei den Fragen von Fußgänger- und Fahrrad-Infrastruktur oder eben von den Grünflächen, aber auch von Luftqualität, – Mensch, das geht mich was an und ich kann vielleicht sogar selber was dazu beitragen, dass wir hier eine modernere Umweltpolitik betreiben.
Ein großes Thema ist nach wie vor das Kulturhauptstadtjahr 2023. Wie ist es derzeit um dieses Projekt bestellt? Vor allem angesichts der jüngsten Spekulationen, man könnte Temeswar diesen Titel aberkennen…
Die Spekulationen, dass der Titel aberkannt wird, das sind politische Spielchen, die Leute, die das in den öffentlichen Raum geben. Diese Gefahr besteht nicht, aber wir sind schon unter hohem Zeitdruck, auch wenn es diese Verschiebung von 2021 auf 2023 gab; denn das Projekt ist längst nicht dort, wo es sein sollte, weder mit dem, was das Kulturprogramm angeht, noch, was die kulturelle Infrastruktur betrifft. Leider ist das Projekt momentan blockiert, weil der Verein kein Board hat, das vollständig wäre. Wir warten darauf, dass das Kulturministerium einen Vertreter in den Vorstand des Vereines bestimmt und wir dann eine Mitgliederversammlung abhalten können, um dann den Verein wieder auf neue Füße zu stellen. Ich werde auch deshalb jetzt nochmal nach Bukarest reisen, um mit dem Kulturminister darüber zu sprechen. Insgesamt bin ich weiterhin optimistisch, dass wir es schaffen werden, dieses Jahr nicht nur für 2023, sondern vor allen Dingen auch für die Jahre danach wirklich als Motor von Tourismus und Kultur hier in der Stadt neu zu nutzen.
Kennen Sie eigentlich den Oberbürgermeister von Budapest? Eine Vernetzung der Städte im Donauraum könnte ja von Vorteil sein.
Nein, den Oberbürgermeister habe ich noch nicht kennengelernt, auch wenn das sicher interessant ist. Ich bin jetzt gerade dabei, dass wir die Partnerschaften mit den Städten, mit denen Temeswar verschwistert ist, neu aufstellen. Ich habe schon Gespräche geführt mit der Bürgermeisterin von Mülhausen in Frankreich, mit den Bürgermeistern von Graz, Gera, Karlsruhe und will das auch weitermachen. Ich werde sicher auch einen Besuch in Szeged, in Novi Sad, also in den ungarischen und serbischen Partnerstädten, bald unternehmen, denn es ist wichtig, dass Temeswar von diesem europäischen Charakter seiner eigenen Identität profitiert, das weitertreibt ebenso wie gegenseitiges
Lernen in der ganzen Region.
Das Inteview führte
Raluca Nelepcu, Temeswar