Sarajevo und Prokoško Jezero
Zu Besuch in Bosnien-Herzegowina

Sarajevo und Prokoško Jezero  <br/> Zu Besuch in Bosnien-Herzegowina

„Wir fahren morgen zum Prokoško Jezero“, sagt Faruk Osmanović, Inhaber der Reiseagentur Superb Adventures Tours, als wir uns den unvergesslichen Sonnenuntergang über Sarajevo ansehen. Wir sitzen im Garten des Restaurants Vidikovac Zmajevac, das oberhalb der Stadt liegt. Belohnt werde ich nicht nur mit einem guten Espresso, sondern auch mit einem unglaublichen Ausblick auf die Hauptstadt

„Wir fahren morgen zum Prokoško Jezero“, sagt Faruk Osmanović, Inhaber der Reiseagentur Superb Adventures Tours, als wir uns den unvergesslichen Sonnenuntergang über Sarajevo ansehen. Wir sitzen im Garten des Restaurants Vidikovac Zmajevac, das oberhalb der Stadt liegt. Belohnt werde ich nicht nur mit einem guten Espresso, sondern auch mit einem unglaublichen Ausblick auf die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas. Ruhig und friedlich scheint sie im Tal zu schlummern. Die Stille wird unterbrochen durch Glocken christlicher Kirchen und Muezzinrufe. Manchmal auch gleichzeitig.

Multikulturelle Perle im Herzen Europas
Sarajevo ist nicht groß, aber seine Geschichte umso großartiger. Archäologische Funde bestätigen Siedlungen seit dem Neolithikum. In der Antike besiedelten Illyrer das Gebiet um den Fluß Miljacka, der durch die Stadt fließt. Dann kamen die Römer, siegten und das Land wurde römische Provinz. Im Mittelalter spielte die Stadt keine wichtige Rolle im bosnischen Königreich. Das änderte sich mit dem Einmarsch der Osmanen. Isa-Beg Isakovic, der als Gründer der Stadt gilt, ließ hier etwa 1461 sein „Saray“ (d. h. Domizil, Palast) errichten. So wurde der Name der Stadt geboren. „Blume unter den Städten“ nennt er sie liebevoll, in der nun alle Gotteshäuser friedlich nebeneinander existieren dank eines Dekretes, das verbietet, eine religiöse Einrichtung anzugreifen oder zu zerstören. So verwundert es nicht, dass Sepharden, Juden von der Iberischen Halbinsel, nach ihrer Vertreibung im Jahre 1492 auch hier eine neue Heimat fanden. Sie bauten die Alte Synagoge und brachten eine Haggahdah mit sich, die heute als die älteste der Welt gilt und im Landesmuseum zu sehen ist. Der jüdische Friedhof in den Hügeln Sarajevos ist der zweitgrößte der Welt und die ältesten Grabsteine sind nur hier in Form eines schlafenden Löwen zu sehen. Bis heute benötigen jüdische Einrichtungen keinen Polizeischutz in Sarajevo. Ab 1878 stellt der Berliner Kongress Bosnien-Herzegowina unter österreichisch-ungarische Verwaltung. Prachtvolle Bauten wie das Alte Rathaus Vjecnica oder Postamt, heute Kunstakademie, entstehen. Ab 1914 wird die Stadt bekannt, als der Student Gavrilo Princip den österreichisch-ungarischen Kaiser Franz Ferdinand und seine Ehefrau Sophie tötet. Dank der schnellen Medien-Maschinerie wird das Gerücht geschürt, dass gerade dieser junge Mann den Ersten Weltkrieg ausgelöst habe, was 100 Jahre später bei dem internationalen Kongress verneint wird. Es war die Gier der jungen Industrieländer, die neuen Waffensysteme auszuprobieren. 1984 ist die Stadt weltweit im Mittelpunkt, als hier die Olympischen Winterspiele ausgetragen wurden. Keiner konnte ahnen, dass genau hier von 1992 bis 1995 die längste Belagerung des 20. Jahrhunderts toben würde. Im Historischen Museum kann man sich ein Bild machen, wie die Bevölkerung ohne fließendes Wasser, Strom, Heizung 1425 Tage überlebte. Vor allem Kinder litten immens unter dem Krieg.

Faruk Osmanovic zählt auch zu diesen Kindern. Der studierte Veterinär hat den gesamten Krieg in Sarajevo verbracht. „Es ist nun passiert, ändern kann ich es nicht. Dem Land ist nicht geholfen, wenn alle abhauen. So kam ich auf die Idee, eine Reiseagentur zu gründen. Den Gästen die Schönheit unseres Landes zeigen. Diesen Traum habe ich mir erfüllt und lebe ihn tagtäglich.“ Faruk begrüßt nun Gäste aus der ganzen Welt. Zusammen mit seinen Kollegen Amir und Elmedin fahren wir zum Prokoško Jezero.

Prokoško Jezero – Fast über den Wolken
Gut zwei Stunden dauert die etwa 80 Kilometer lange Fahrt. Bald erreichen wir das Massiv Vranica. Es geht einen Schotterweg hinauf. Faruk hält den Wagen an und lässt mich alleine aussteigen. „Laufe vor zu dem Felsen, aber sei vorsichtig, dass Du nicht abrutschst!“ Ich habe schon viele Ausblicke gesehen und irgendwann denkt man, dass keiner mehr zu überbieten wäre. Falsch gedacht, denke ich, und bin dankbar dafür. Vor mir eröffnet sich der Ausblick auf einen klaren See, umgeben von kleinen Holzhütten. Wir fahren runter zur Siedlung. Die Hütten dienten ursprünglich als Unterkünfte für Schafhirten und Waldbeersammler. Auch heute haben sie teilweise ihre Funktion beibehalten, der Großteil wird für touristische Zwecke genutzt. Als Unterkünfte oder Restaurants.

„Wir fahren rauf zu Spitze und wenn wir zurückkommen, ist unser Mittagessen fertig.“ Faruk reibt sich die Hände. „Ich habe Zeljanica bestellt (Blätterteig gefüllt mit Spinat und Käse).“ Die Damen machen das Essen auf Bestellung frisch und timen die Zubereitung so, dass der Besucher es dampfend heiß serviert bekommt.
In 1900 Meter Höhe halten wir an. Jetzt geht es weiter mit Wanderstiefeln. Nach etwa einer Stunde kommen wir auf eine Anhöhe, die nicht spektakulär aussieht. „So und nun laufe vor und genieße.“ Ich laufe, sehe und staune. Vor meinen Augen eröffnet sich der Gletschersee in seiner vollen Pracht und aus dieser Höhe erkennt man seine eigentliche Form: ein Herz! Wir klettern auf die Felsformation und sitzen hier eine Ewigkeit, bis sich der Nebel auf den See legt. Er wirkt magisch und man hat das Gefühl, man säße in den Wolken. Doch wir müssen wieder zurück. Die Jungs nach Sarajevo, ich nach Deutschland. Dort angekommen, schickt mir Faruk ein Video von unserem Ausflug. Er hatte seine Drohne dabei. Wahnsinnige Motive. Darunter auch Aufnahmen von der Felsformation, von der aus man den ersten Blick über den See hat. Erst jetzt merke ich, wie gewaltig die Natur auf diesem Fleckchen Erde ist. Sarajevo und Bosnien-Herzegowina wollen entdeckt werden. Ich bin gerne dabei.

Mirella Sidro,
Journalistin, Augsburg

www.superbadventures.com

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