Haben die EU und das restliche Europa noch eine Zukunft? Diese Frage ist berechtigt, liest man doch immer wieder, wie Kräfte aktiviert werden, um sie zu zerschlagen, und dass eine starke Rückbesinnung auf nationale Werte stattfindet. Doch es gibt eine gute Nachricht. Die Zukunft ist vielversprechend: Dank der jungen Menschen, deren Stimmen nun in den
Haben die EU und das restliche Europa noch eine Zukunft? Diese Frage ist berechtigt, liest man doch immer wieder, wie Kräfte aktiviert werden, um sie zu zerschlagen, und dass eine starke Rückbesinnung auf nationale Werte stattfindet. Doch es gibt eine gute Nachricht. Die Zukunft ist vielversprechend: Dank der jungen Menschen, deren Stimmen nun in den wichtigen Kreisen Brüssels erhört werden.
Zu verdanken ist das unter anderem Stefan Barth und Iryna Gumenchuk vom internationalen Kinderhilfswerk Agapedia. Das Land Baden-Württemberg hatte sich im Koalitionsvertrag des Jahres 2016 verpflichtet, zu prüfen, was für eine Rolle das Land im Rahmen der Verwirklichung eines Donaujugendnetzwerks einnehmen sollte.
Nach über zwei Jahren Arbeit mit dem Förderprojekt „Danube Youth Participation“ des Staatsministeriums Baden-Württemberg hat die NGO mit der Stiftung Liebenau als Projektträger gemeinsam mit sechs „Danube Core-Networkern“ und langjährigen NGO-Partnern im Donauraum einen konkreten Vorschlag für eine nachhaltige Implementierung des Donaujugendnetzwerks vorgelegt.
Agapedia bedeutet „Liebe zu Kindern“ und ist die 1995 gegründete Wohltätig- keitsorganisation des ehemaligen Fußballspielers und Trainers Jürgen Klinsmann mit Sitz in Stuttgart, Deutschland. Mit ihren vier Tochterstiftungen in Rumänien, Bulgarien, Moldawien und Georgien unterstützt sie Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen.
Die Donauregion ist das ideale Symbol für Europa. Als zweitlängster Fluss fließt sie vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer durch zehn europäische Länder. Mit den Anrainerstaaten sind es insgesamt 14 Länder. 115 Millionen Menschen leben hier, davon sind 26 Millionen 18 bis 35 Jahre alt. Iryna ist verantwortlich für soziale Medien und Vernetzung im Agapedia-Netzwerk. Seit 2015 nimmt sie an transnationalen Jugendtreffen im Rahmen der EU-Donauraumstrategie (EUSDR) teil und organisiert sie auch. Und das erfolgreich.
Heute umfasst das Donaujugendnetzwerk NGO-Partner in Kroatien (BREZA NGO), Serbien (supernatural), Bulgarien (Re-Act) und Rumänien im Verband sozialer transsilvanischer NGOs. In Baden-Württemberg werden die Jugendlichen Europas ernst genommen. Am 15. Oktober 2021 fand der erste Jugend.Donau Salon in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin statt. Florian Hassler, Staatssekretär und Vertreter des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union, der für die politische Koordination, die Europapolitik und grenzüberschreitende Zusammenarbeit verantwortlich ist, erklärte, wie wichtig dieses Zusammentreffen von Jugendlichen aus 14 verschiedenen europäischen Ländern ist: „Wir brauchen mehr Jugendbegegnungen. Der erste Jugend.Donau Salon ist ein Projekt zum Experimentieren, um daraus zu lernen und ihn weiter zu entwickeln.” Er erzählt wie er selbst als Student am Erasmus-Programm in Frankreich teilnahm. Heute wünscht er sich, dass mehr Austausch mit Südosteuropa stattfindet, um das Unbekannte Europas kennenzulernen.
Auch Stefan Barth hat dies vor Jahren erkannt und hat Aida Beca aus der bosnisch-herzegowinischen Hauptstadt Sarajevo zusammen mit ihren Schülern zum Sommercamp ins bulgarische Plovdiv eingeladen:
„Eines Tages wird unsere Heimat auch Mitglied der Europäischen Union werden. Hier hatten wir die Möglichkeit, auch außerhalb unserer Grenzen zu zeigen, dass wir tolle junge Menschen im Land haben, die Situationen ändern wollen. Sie sind nicht begrenzt, wie oft behauptet, auf ethnisch-nationale Interessen oder Religion, sondern bringen ein offenes und breites Bewusstsein mit”, erklärt die Gymnasiallehrerin hoffnungsvoll.
Aufgrund der Pandemie konnten etliche Projekte nur online stattfinden. Doch auch da wurde einiges erreicht. Das wurde beim ersten Jugend.Donau Salon bemerkbar. 260 Teilnehmer aus 14 verschiedenen Ländern haben sich zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Zukunft Europas zu kreieren. Das Endergebnis hat gezeigt: Wir Erwachsenen können viel von den jungen Menschen lernen! Lyben Georgiev von der bulgarischen NGO Re-Act hat ein Händchen dafür, die Jugendlichen mit einfachen und kreativen Ideen in die Gesellschaft zu integrieren: „Ich liebe es, junge Menschen zu ver-netzen, ihnen ihren Wert zurückzugeben, damit sie ihren Sinn und ihr wahres Potenzial erkennen können.” So rief er Shoot by Youth ins Leben.
Das Video-Projekt, das von der Baden-Württemberg Stiftung finanziert wurde, forderte Jugendliche Europas im Alter zwischen 15 und 25 Jahren auf, Teams von drei bis fünf Mitgliedern aus verschiedenen Donauländern zu bilden und kurze Videos über ein lo-kales Problem ihrer Stadt oder Region zu erstellen. Beim ersten Jugend.Donau Salon in Berlin wurden vier Sieger prämiert. Die Themen waren vielseitig: von fehlender Sexualerziehung in den Schulen über Umweltschutz, einer Stimme für Jugendliche bis zur Wiederentdeckung des kritischen Denkens.
Egal woher die Jugendlichen stammen – werden sie zusammengeführt, verschwinden Berührungsängste schnell. Das Unbekannte wird zum Bekannten, denn sie alle teilen dieselben Wünsche und Ängste. Jugendliche würden sich auch mehr engagieren in der EU, wenn man ihnen zuhört und sie auch ernst genommen werden. Denn es ist wie mit der Donau – nur eine Zusammenarbeit zwischen ihren Ländern und Balance von Gegensätzen kann den Fluss gesund erhalten. Das fließende Wasser kennt keine Grenzen. Wird es nur in einem Land geschützt, bringt das nicht viel. Alle Länder müssen sich zusammenschließen und gemeinsam für den Fluss da sein. So ist es auch in der Gesellschaft. Die Erwachsenen bringen (meistens) Erfahrungen mit. Das wird sie allerdings nicht weiterbringen ohne die Zukunftsvisionen der Jugendlichen, die man mit dem Wissen der Erwachsenen realisieren kann.
Stefan Barth ist zuversichtlich und hofft, dass seine langjährige Arbeit nun endlich ein zartes Pflänzchen hervorgebracht hat: „Das Projektvolumen des Danube Youth Participation Projektes umfasst insgesamt 350.000 Euro für gut zwei Jahre und ist damit verhältnismäßig kosteneffizient. Und vielleicht gelingt es in Zeiten von Steueraus-fällen im konstruktivem Miteinander doch noch ein nachhaltiges Donaujugendnetzwerk zu pflanzen.” Auf der Webseite von Shoot by Youth wird als Tipp für die jungen Videokreateure folgendes mitgegeben: „Denkt daran – kreativ bedeutet nicht kompliziert!” Möge diese Weisheit auch die heiligen Hallen der EU erreichen!
Mirella Sidro,
Journalistin, Sarajevo