Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm hat sein Ausstellungsspektrum erweitert „Seht mich an, sagt die Donau, groß bin ich, schön und weise. Niemanden in Europa gibt es, der mir das Wasser reichen könnte.“ Dieses Zitat aus der „Donau-Anhörung“ von György Konrád findet sich im Donauschwäbischen Zentralmuseum (DZM) in Ulm, das am 30. April 2022 mit einer neuen Ausstellungskonzeption
Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm hat sein Ausstellungsspektrum erweitert
„Seht mich an, sagt die Donau, groß bin ich, schön und weise. Niemanden in Europa gibt es, der mir das Wasser reichen könnte.“
Dieses Zitat aus der „Donau-Anhörung“ von György Konrád findet sich im Donauschwäbischen Zentralmuseum (DZM) in Ulm, das am 30. April 2022 mit einer neuen Ausstellungskonzeption wiedereröffnet wurde.
Nach einer Umbauzeit von 18 Monaten präsentiert das DZM in seinen historischen Räumen in der ehemaligen Bundesfestung Ulm auf rund 1.500 Quadratmetern einen deutlich erweiterten und erlebnisorientierten Blick auf den Donauraum, ganz im Sinne des Konrád-Zitats. Die bestehende Dauerausstellung über die Geschichte der Donauschwaben wurde modernisiert und aktualisiert. Sie bleibt einer der beiden Schwerpunkte des DZM, das im Jahr 2000 eröffnet wurde. Der zweite, völlig neue Schwerpunkt ist die Donau selbst. Museumsleiter Christian Glass spricht von einer „Verjüngungskur“. Da die Erlebnisgeneration der Donauschwaben immer kleiner werde, müsse das DZM auch neue Wege gehen, so Glass, um Geschichte und Geschichten rund um die Donau zu präsentieren.
Der Fluss erzählt Geschichten
Das geschieht vor allem im neuen Ausstellungsschwerpunkt „Donau. Flussgeschichten“. Ganz gezielt sollen damit Familien, Erwachsene und Kinder angesprochen werden. Klugerweise verzichtet das DZM darauf, den Donauraum mit knapp 3.000 Kilometern Flusslänge, 112 Millionen Menschen und 10 Anrainerstaaten umfassend und enzyklopädisch darzustellen. Die vom Berliner Kreativbüro it’s about mit dem DZM entwickelte Konzeption greift vielmehr 22 exemplarische „Flussgeschichten“ heraus.
Mit vielen Objekten, Fotografien, Filmen und Illustrationen erzählt diese Ausstellung 22 Geschichten von der Donau. Dabei geht es sowohl um den Naturraum, als auch um die Menschen, die an und mit dem Fluss lebten und leben. Die Donau als Reise- und Wirtschaftsweg und als Raum mit großer kultureller Vielfalt sind weitere Themenschwerpunkte. Das alles geschieht mit vielen interaktiven Elementen, wie Hör- und Filmstationen oder Mitmach-Objekten. Die erklärenden Texte in dieser Ausstellung sind auf Deutsch und
Englisch verfasst.
Die Besucherinnen und Besucher können mehr erfahren über den sagenhaften „Donau-Saurier“, den Beluga-Stör (auch „Hausen“ genannt) und die Fischerei, etwa bei den Fischern im serbischen Apatin, an der serbisch-kroatischen Grenze. Die Eingriffe in das Ökosystem werden unter anderem mit dem Blick auf die Baugeschichte der großen Laufwasserkraftwerke am Eisernen Tor an der Grenze zwischen Rumänien und Serbien dargestellt.
Ein vom Modellbauer Werner Klassmüller (Elchingen) extra für das Museum entwickelte Schiffsmodell einer „Ulmer Schachtel“, mit der die Auswanderer im 18. Jahrhundert von Ulm aus die Donau abwärts fuhren, zeigt die Beschwerlichkeit der Reisen in jener Zeit. Die Donaudampfschifffahrtsgesell-schaft, 1829 gegründet, machte ein neues Kapitel auf, das neben dem Warenverkehr schließlich auch touristische Reisen auf der Donau ermöglichte.
Die tragische und blutige Geschichte des Donauraums, als Kampf um Macht, Grenzen und Einflusszonen, wird in den „Flussgeschichten“ bewusst nicht ausgespart. Auch der Holocaust während des 2. Weltkriegs im von deutschen Truppen besetzten Serbien, als Teil des ehemaligen Jugoslawien, wird
thematisiert.
Die Donau als Fluchtweg, sowohl für deutschstämmige Flüchtende nach dem 2. Weltkrieg, wie auch für Flüchtende aus dem diktatorisch regierten Rumänien Nicolae Ceausescus, ab den 1970er Jahren in Richtung Jugoslawien, ist ein weiteres tragisches Kapitel, das im DZM aufgegriffen wird.
Die Kulturgeschichtliche und kulturelle Vielfalt des Donauraums spiegelt sich sowohl in der 1971 gefluteten „osmanischen“ Insel Ada Kaleh am Eisernen Tor, wie im Blick auf die Kaffeehauskultur, auf Faschingsbräuche in Südungarn oder das große Musik-Festival „Exit“ in Novi Sad / Serbien wieder.
Donauschwaben – eine Migrationsgeschichte
Die überarbeitete Dauerausstellung „Donauschwaben. Aufbruch und Begegnung“ gibt umfassende Einblicke in dieses besondere Kapitel europäischer Migrationsgeschichte,vom späten 17. Jahrhundert bis heute. Herkunft und Sprachen der Donauschwaben, die Migration von Ulm aus über die Donau in den südosteuropäischen Raum, ihr Leben dort in Dörfern wie in Städten, die kulturellen und wirtschaftlichen Wechselbeziehungen mit der angestammten Bevölkerung werden nachvollziehbar.
Die Auswirkungen des Nationalsozialismus, Flucht, Vertreibung und Deportation nach dem 2. Weltkrieg sowie das Leben donauschwäbischer Minderheiten in den sozialistischen Staaten nach Ende des Krieges sind Teil dieser Geschichte und ihrer Darstellung im DZM. Eine eigene Kinostation mit Zeitzeugenfilmen aus Ungarn, Rumänien und Serbien wurde dazu entwickelt.
Unter dem Motto „Zwischen Ohio und Osijek“ werden die Donauschwaben und ihre Nachkommen überall auf der Welt in den Fokus genommen. Die Integration der Heimatvertriebenen aus dem Donauraum in der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg gehört ebenso in diesen Kontext.
Für die Ausstellung über die Donauschwaben wurde auch ein Medienguide entwickelt, der auf Deutsch und Englisch durch die Ausstellung führt. Außerdem bietet das DZM eine ganze Reihe an thematischen Führungen – auch speziell für Familien und Kinder – durch beide großen Ausstellungsbereiche an, darunter auch Führungen mit Schauspielerinnen und Schauspielern.
Bernd Weltin,
Ulm
Hinter dem DZM steht die Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum. Träger der Stiftung sind die Bundesrepublik Deutschland, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Ulm und vier Donauschwäbische Landsmannschaften.
Für den Umbau des Museums kamen Mittel des Bundes, des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Ulm von rund 1,65 Millionen Euro zusammen. Die Stadt Ulm unterstützte die Sanierung von Gebäude und Haustechnik zusätzlich mit knapp 1 Million Euro. Weitere Informationen über das DZM gibt es unter www.dzm-museum.de